3. Fastensonntag Lesejahr A
Ex 17, 3 - 7 Röm 5, 1 - 2. 5 - 8 Joh
4, 5 - 15. 19b - 26. 39a. 40 - 42 GOTT IST NICHT (LÄNGER NUR) DER GEBER, GOTT IST DIE GABE "Gott schenkt seine Gaben" könnte als gemeinsame Überschrift über den Texten dieses Sonntags stehen. - Könnte, wohlgemerkt, denn wer die Texte so versteht, versteht keinen der drei Texte richtig. Wer die Texte so versteht, lebt noch nicht, der lebt höchstens provisorisch. Wer den Text aus Exodus so versteht, als gäbe Gott - Wasser gewissermaßen als "seine Gabe" - als ließe er seinem Volk zuliebe aus dem Felsen Wasser sprudeln, das Mose dann dem dürstenden und murrenden Volk gibt, der liest den Text nicht anders als ein Jude. - Unsere Kirche, die uns diesen Text heute lesen läßt, versteht ihn anders. Als Christen entnehmen wir diesen Text nicht dem "Gesetz und den
Propheten", wie die Juden ihr Buch nennen, sondern dem Alten Testament,
wie wir dasselbe Buch nennen, weil wir es vom Neuen Testament her aber
ganz anders interpretieren: Gott schenkt sich selbst. Auch in der zweiten Lesung - aus dem Römerbrief - sind Glaube, Frieden,
Hoffnung nicht verschiedene Gaben Gottes nebeneinander. Gott schenkt sich als Glaube, denn unser Glaube ist nicht unsere Leistung,
sondern gar keine Leistung. Unser Glaube ist Gottes Werk in uns. Gott schenkt sich als Frieden, denn er selbst allein ist der unüberbietbare
Friede. Friede mit Gott, der nie straft. Friede mit allen Menschen, so daß all unsere Feinde in Wahrheit nur Gegner sind: Keiner unter ihnen kann uns aus der Liebe Gottes zu Gott, des Vaters zum Sohn, keiner kann uns aus diesem Heiligen Geist herausreißen, in dem wir bereits seit unserer Zeugung sind. Und vor allem, was mir am wichtigsten zu sein scheint: Friede mit uns selbst. Denn wenn Gott so unendlich sorgsam unterscheidet, zwischen meinen Fehlern und Faulheiten und mir, dann kann ich sogar angesichts meiner Schwächen und Unordnungen ruhig und gelassen bleiben, statt mich gehetzt aus der Fassung drehen zu lassen. Gott schenkt sich den Menschen als Hoffnung. Natürlich tut er das
ganz. Und bei jedem von uns von seinem Anfang an. Es sind ja nur neue
Worte für das eben schon Gesagte: "Der Mensch wird geboren,
um zu leben und nicht etwa, um sich auf das Leben vorzubereiten. (Boris
Pasternak, 1890 - 1960, russ. Dichter, Nobelpreis 1958) - Weil die meisten Menschen meinen, ihre Hoffnung sei meist trügerisch, haben sie auch zuviel Achtung vor dem Tod, gemessen an der geringen Achtung, die sie vor dem Leben haben. (Henry de Montherlant, 1896-1972, frz. Dichter). In Wirklichkeit ist alles ganz anders. Gott ist die Hoffnung. Und die ist Gegenwart, geschenkte göttliche Gegenwart um uns herum und mitten in uns drin. Wir brauchen diese Zukunft nur einzuatmen, das Leben. - Atmen tun wir ohnehin, warum nicht Gott?! (Nach Pierre Leroux, 1797 - 1871, frz. Politiker). Nichts, aber auch gar nichts brauchen wir zu tun, um in der Zukunft etwas
zu bekommen, was wir uns wünschen, - ohne garantieren zu können,
es auch zu bekommen. - Leider überwiegen unter denen, die wir unsere Zeitgenossen nennen, die vielen "prominenten Toten" (Wilhelm Willms). Sie stehen auf allen Bühnen herum und sind nicht einmal Statisten. Eigentlich der Kugel nicht wert. Wozu auch?! Sie halten das Leben für ein Stilleben (Nach Oskar Kokoschka, 1886-1980, östr. Maler). Sobald sie wenigstens akzeptieren, daß heute der erste Tag vom Rest ihres Lebens ist (Graffito), sind sie hörbereit für das Evangelium, das kein Wasser ist aus Brunnen, aus der Tiefe, sondern aus den Höhen des Himmels, die sie schon neun Monate lang erreicht hatten, als sie geboren wurden. - Gott, der sich dachte: "Du kannst auf dieser Welt nur leben, wenn Du sie zu Deiner Geliebten machst" (Janosch, geb. 1931, eigentlich Horst Eckert, dt. Kinderbuchautor) war nicht nur bei der Zeugung dabei, sondern wurde in genau dieser Sekunde in ihnen (auch also in Ihnen!) Mensch. - Man richte es aus. Richtet es aus! Erweckt sie zum Leben. - Sagt es ihnen, sie hätten es gar nicht nötig, etwas anderes zu leben als sie sind. (Nach Gottfried Benn, 1886 -1956) Zum Evangelium: Unsere Szenerie ist denkbar alltäglich, denkbar praktisch, wenn auch zugleich von außergewöhnlicher Dynamik und Dramatik: Wendepunkt im Leben eines Menschen, ja im Leben einer ganzen Stadt. Eine Frau, - zur Zeit Jesu waren Jesus und alle anderen der Überzeugung, daß Frauen keine Seele haben - eine Frau in einem Diskurs mit einem jüdischen Rabbi. Hinter der vordergründigen Frage nach dem Wie und Wo der "rechten Anbetung" - den Unterschied zwischen "profan" und "sakral" gilt es zu vergessen! - geht eine tiefgründige Auseinandersetzung um die wirklich große, um die wirklich neue, um die tatsächliche Lebensqualität. Aber nicht als Diskussionsveranstaltung, sondern als Konfrontation einer Existenz! Beide stellen sich. Beide wollen das Leben meistern. Beiden ist klar, daß die einzige Art, das Leben zu meistern, die ist, dieses Leben zu lieben. Die Frau hat die Frage. Jesus hat die Antwort. Wie kann ich das Leben
lieben? Warum kann ich das Leben lieben? Alles in allem der sattsam bekannte und lähmende Hang, die Dinge
einfach laufen zu lassen, sie auf die lange Bank zu schieben. Wie kann ich das Leben lieben? - Warum kann ich das Leben lieben? Weil Du selbst unendlich geliebt bist, weil Du ganz und gar vom Heiligen
Geist durchdrungen bist, kannst Du das Leben lieben. Nichts darin kann
Dir letztlich gefährlich werden. Nichts darin ist stärker als
die Liebe, die Gott selber ist. Wer von diesem Wasser trinkt, wird wieder dürsten, wird seinen Durst nach Leben behalten wie andere - nur zwei Kapitel weiter - ihren Hunger nach Leben (vgl. Joh 6, 1-15.22-59). Ich biete Dir besseres Wasser an als das da aus dem Brunnen Jakobs. Kannst Du das akzeptieren? Daß ich Jakob degradiere?! Sogar Jakob! Sein ganzes Haus, dem dieses Wasser gut genug ist bis zum heutigen Tag? Akzeptierst Du das? Er wartet auf mich, wie er bisher immer auf mich gewartet hat. Er jedenfalls. Er fragt mich - nach Wasser. Er jedenfalls interessiert sich für mich. Er sagt mir, daß Gabe und Geber identisch, daß Wasser und Leben identisch, und daß er es ist. Wartend fragt er und sagt sich selbst. Wer Gott nicht anbetet - im Geist und in der Wahrheit, bildet sich ein,
sich etwas vormachen zu können. Vor sich etwas. Da genau aber steht
Gott. Der ein maßloses Interesse an mir hat, dessen Liebe zu den
Menschen unerschöpflich ist. Bis einer sich befreien läßt. Sich zu trinken geben läßt. Statt zur nächsten Tagung zu hetzen. Bis einer sich läßt. Und findet. Aber eben nicht in schönen Bildern. In Märchen. In zauberhaft
schönen Bildern und Mythen, sondern im Geist und in der Wahrheit. Erst unter seinem Wort der bedingungslosen Liebe zu jedem Menschen, für die es unerschöpflich nie zu spät ist - nur einmal! - erst unter seinem Wort beginnt sie zu dürsten nach dem wahren Leben. Und damit hat sie's auch schon. Und damit nimmt sie es auch schon. Sie sieht sich erstmals selbst. - Und versteht sich erstmals selbst.
Deinen Tod, o Herr, verkünde ich, bis ich dich nicht mehr glaube, sondern sehe. Aber jetzt schon bin ich. Ich bin! Ich werde nicht, ich bin. Ich schöpfe
nicht. Ich bin. Meine Einmaligkeit und Würde sehe ich - in seinem
Blick. Der ist der wahre Spiegel. Das wahre Wasser. Das lebendige Wasser.
- Meinen alten Krug lasse ich jetzt stehen, kehre um - auf den Markt des
Lebens. Nichts kann uns trennen von der Liebe Gottes (Vgl. Röm 8, 39). |