Pfinsten – Lesejahr A

 

1 Kor 12, 3b (gehalten am 7.6.87 in St. Peter zu Köln)

1. Siezen statt duzen!

Es ist peinlich, zu einer Party nicht eingeladen zu werden, zu der man ohnehin nicht gegangen wäre. Peinlicher ist es wohl, wenn man von einem mit Du und dem Vornamen angesprochen wird, der einen ganz offensichtlich gar nicht kennt. - Menschen, die Du sagen, bevor es angebracht erscheint, sollten eingeladen werden, zum Sie zurückzukehren ... Aber gerade daher steht nichts dafür, die Ordnung der vermeidbaren Lieblosigkeit zu ändern.

2. Duzen statt siezen!

"Meine" Schüler, die folgende Fragen auf An- oder Abhieb sofort beantworten, sind bei Licht besehen nicht mehr meine "Schüler". Was sollten sie denn von einem Lehrer noch lernen, der ihnen nichts wirklich Wichtiges mehr voraus hat?!

A. Was feiern Christen zu Pfingsten? - Daß sie den Heiligen Geist haben.

B. Gibst Du ihn mir bitte?! - Auch Sie hat der Schöpfer der Welt so gern wie seinen Sohn Christus Jesus; sein Geist ist derselbe, der in Ihnen wohnt! - Schüler, die das sagen, sollten ihre Lehrer nicht mehr siezen müssen ... Aber gerade daher steht nichts dafür, die Schulordnung zu ändern ...

3. Ist Jesus nun zu siezen oder zu duzen?

Wer mich kennt, weiß, daß ich in der Regel auf derartig strukturierte Fragen die Antwort "Ja" genieße. Hier heißt die Antwort, will sie sachgemäß sein, aber nicht "Ja", sondern "Weder-noch!" Das, meine ich, will genau bedacht sein. - Auch wenn Sie spontan der Meinung sind, es sei nicht wichtig für Sie, ist es sogar von lebenswichtigem Interesse für Sie!

4. Nicht anreden! - Titulieren!

"Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr, außer im Heiligen Geist!" (1 Kor 12, 3b) - Je mehr bei dieser wichtigen Paulus-Stelle daran denken, daß man mit ihr die Unzerstörbarkeit der christlichen Kirche darstellt, desto besser. Aber heute wollen wir das nicht wiederholen, daß evangelische Christen das bekanntermaßen wie die katholischen auch sagen: Herr ist Jesus und nicht die Partei, der Verein oder Stammtisch! Herr ist Jesus und nicht der Papst, der Arzt oder ein Nichtraucher!

Wenn Paul hier nicht irrt, das behauptet meines Wissens niemand, dann bekennen das auch evangelische Christen im Heiligen Geist. - Mehr kann man nicht haben als den Heiligen Geist, der einen vor allem (!) Bösen bewahrt. Im Glauben Jesu, der eben nicht mit einem bloßen Für-Wahr-Halten verwechselt werden darf, kann man gar nichts anderes als unüberbietbar übereinstimmen. - Der Glaube ist Gottes Wirken in uns; er ist es, der es bewirkt, daß wir eins sind. - Es ist also eine irrige Auffassung, die Christen könnten einiger werden als sie sind. Die Bestandsaufnahme lautet viel radikaler: Menschen dieser Auffassung sind schuldlos weder evangelisch noch katholisch. - Galileis Zuhörer waren schudlos ... Meine Zahnbürste?! -Bittesehr, hier ist sie!

Nicht anreden, sondern titulieren! "Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr, außer im Heiligen Geist!" (1 Kor 12, 3b) - "Herr" ist Titel, Bekenntnis. - Herr, Christus, ist kein Name, mit dem man anredet. Herr ist Titel, mit dem wir bekennen, wenn wir sein wollen: ohne den Erkannten zu bekennen, sind wir nicht! Unterscheidendes, relativierendes, alles ohne Wenn und Aber relativierendes Bekenntnis: Heiliger, heute und nicht nur heute zu feiernder Heiliger Geist. Relativiert ist alles andere. Denn mein Geist sagt, alle Angst ist begründet. Heiliger Geist dagegen, mein Heiliger Geist sagt: Gott ist Grund aller Schöpfung, Angst ist geschöpflich und also keine Waffe gegen Gottes grenzenlose Liebe. Angst ist entmachtet, die Angst vor der Angst ist sogar tot wie der Tod. - Diese Predigt Jesu, nachweisbar jung-fräulich, unausdenkbar nämlich, ist in vielen Köpfen noch heimatlos, u-topisch: alt-männlich.

Der pfingstliche Geist will nichts als Abhilfe hier. Er will gehört, nicht aber wie üblich durch Appelle verdrängt werden, die für sich allein genommen niemandem helfen.

Es ist kein Mangel auf Seiten Gottes, daß er seine unüberbietbare Liebe zu jedem - keinem Geschöpf aufzwingen kann, es ist Mangel unsererseits, tödlicher Mangel bei Erkennenden, nicht zu bekennen!

Unser Geistgetränktsein, unser Geisterfülltsein uns nicht auch immer bieten zu lassen, macht den Mangel unsererseits aus: Gott ist nicht in der Lage zu verhindern, daß wir uns restlos verlieren in Kunst, Kitsch und Gequatsche.

Die einzige Sünde, die in Gottes Augen zählt, ist die, sich nicht zu freuen: den Durchblick, den man erkennt, nicht auch zu bekennen ... Wovon das Herz voll ist, geht der Mund über! Gottes Geist ist die Freude. - Kein Grinsen, sondern Standhalten. - Das macht ihm keiner nach. Wir wollen aufhören, Gottes Reich bauen zu wollen. Wir wollen uns freuen, daß er keine halben Sachen macht: Wir haben den Heiligen Geist. - Komm, Heiliger Geist. Du bist unser!

8.6.87 Pfingstmontag 1 Kor 12, 3b (Fortsetzung)

1. Rätsel oder Geheimnis
Jeder Mensch ist ein Geheimnis, das Geheimnis des Glaubens: Im Menschen wohnt der Heilige Geist. - Das ist restlos verstehbar, kein Rätsel, aber dennoch überhaupt nicht begreifbar. Christen haben verstanden, sie sagen es weiter, weil es sich dem Zugang des Menschen entzieht: Nicht wir schenken uns Gott, sein Geist schenkt sich uns: Deinen Tod in uns, o Herr, verkünden wir, und Deine Auferstehung in uns preisen wir bis Du kommst in Sichtbarkeit!

Geheimnisse üblicher Art gibt keiner gern preis. Dieses Geheimnis der normalen Art gibt, wer es erkannt hat, bekennend weiter. Dieses Weiterschenken des Geheimnisses, ein anderer Christus zu sein, ist die Verehrung, die jedem anderen Menschen zukommt: Es ist das göttliche Recht jedes Menschen, gesagt zu bekommen, daß er Geheimnis ist: Tempel, Wohnsitz des Heiligen Geistes. Nicht der plumpe Zugriff findet den Mitmenschen, sondern der Dialog des einen anderen Christus mit dem anderen anderen Christus. Nur diese Zusage in menschlicher Zuwendung läßt den Menschen sein.

Wahre Begegnung ist das Aus-der-Hand-Geben seiner selbst in die des anderen: unverfügbares Geschenk, da nur durch Gott ermöglicht: Gnade. Heiliger Geist, der Dialog des Vaters mit dem Sohn. Ehrfurcht: die dem anderen gewollt entgegengebrachte Liebe: die vom Heiligen Geist erfüllte Person. Ehrfurcht, das ist der Christ!

2. Erkennen oder Bekennen
In der Liebe zueinander geben wir Menschen uns zu erkennen. Wir sehen nur mit den Herzen richtig, der Wahrheit entsprechend. Erkennen, den anderen erkennen, heißt ihn zu lieben.

Liebe erkennt des anderen wahres Wesen, seinen inneren Namen. Ausgesprochen und bestätigt wird er wahr der innere Name. Er ist wahr, weil er das innere Wesen ins Wort faßt.

Das Wort ist Christus, das Wort Gottes. In ihm ist der andere geschaffen, nicht Gott gegenüber. Des anderen inneren Namen ins Wort fassen, das bedeutet, ihm das zu bekennen: Du bist um Christi willen geliebt wie er, vom selben Heiligen Geist durchdrungen wie Christus Jesus: Ich liebe Dich, ich erkenne Dich und erkenne Dich an, indem ich Dir das bekenne, Dein inneres Wesen ins Wort fasse. Das ist der rechte Ton, und Ton macht die Musik. Die Musik des Lebens ist der Heilige Geist.

3. Sprechen oder Übersetzen
Menschen können nicht sprechen, allein den Christen steht das Wort zu Gebot. Wir haben die Erfahrung des Glaubens: beim Namen gerufen zu sein. Durch Gott im mitmenschlichen Wort des Glaubens: Im Wesen erkannt, geliebt, und nicht verheimlicht, sondern im Geheimnis bekannt.

Menschen können sprechen. Aber Menschen können nicht übersetzen. Allein der Christ ist die leibhaftige Übersetzung Gottes in ein Menschenleben. - Zwischen Menschen bedarf es der Liebe. Zwischen Menschen bedarf es der unüberbietbaren Liebe Gottes. Liebe kann über den Graben, einander fremd zu sein, hinübertragen. Unsere Liebe vermag aber nicht über den Graben, Gott fremd zu sein, hinüberzutragen.

Auch Begeisterung für Jesus, Sympathie für Jesus, ist nur Menschenwerk. Gottes Werk ist es allein, in Jesus den Christus zu erkennen und dies dem anderen zu bekennen: Gott hier mitten unter uns. Allein Gottes Werk ist es allein, den Menschen erkennen zu lassen, Du bist im Bekenntnis nie allein. Dich trägt der Heilige Geist.

Setze den Mitmenschen über, übersetze ihn in die Wahrheit: Gott ist Geist und Wahrheit. Gib ihm seine Identität. Sag ihm, wer ihn im letzten erkennt, wer es in Wahrheit in Dir ist, der ihn bekennt. Teile ihm mit, eine leibhaftige Übersetzung Gottes zu sein. Das ist Dein Leben: Übersetzen!

4. Weg oder Ziel
Du bist das Ziel Gottes. Du bist keine halbe Person. "Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand kennt den Vater, nur der Sohn, und der, dem es der Sohn offenbaren will" (Mt 11, 27) Du bist von Gott erkannt und Dir ist es gesagt: Du bist von Gott bekannt: Du bist Gott restlos bekannt. Weil er Dich liebt wie seinen Sohn, weil er Dich erkennt als seinen Sohn, hat er Dich bekannt: "Du bist mein geliebter Sohn!" (Mk 1, 11) Du bist das Ziel Gottes: Du hörst.

Du bist voll von Hören, neben dem nichts anderes Platz findet, wenn Du sprichst, das Wort sagst: Hör, Mitmensch, antworte mit: "Abba, lieber Vater!" - Hör, Mitmensch, der uns erkennende, liebende Gott, hört auf uns mitten unter uns. Unser Bekenntnis erkennt ihn. In Dir hört Er mir zu. - Leibhaftige Übersetzung Gottes in ein Menschleben: "Du bist mein geliebter Sohn!" sagt Gottvater zum Sohn. Übersetze ich es in den Mitmenschen, wird Gott Mensch.

"Abba, lieber Vater!" sagt Christus zum Vater. Übersetze ich es in den Mitmenschen, wird Gott Mensch. Im Nächsten, dem Erkannten, und in mir, dem Bekennenden.

Erkennen und Bekennen, Über-setzen also, ist Geschehen im Heiligen Geist. Dialog zwischen dem Vater und dem Sohn, nicht an uns vorbei, in uns. In uns wohnt der Dialog Gottes. Gott setzt in uns über. Im Heiligen Geist in uns und nirgends sonst schenken sich Gottvater und Gottsohn. Im göttlichen Dialog in uns, im Heiligen Geist, und nirgends sonst bekommen sich Gottsohn und Gottvater geschenkt.

Heiliger Geist, der innere Jubel Gottes, in uns. Niemandem anders als Jesus verdanken wir dieses erkannte Bekenntnis. Er ist der Herr. Laßt uns im Heiligen Geist sprechen, laßt uns den Heiligen Geist sagen. "Keiner kann sagen: Jesus ist der Herr, außer im Heiligen Geist!" - Wir können sprechen! - Ob man uns bald hört?!