Der Beweis

Pater Peter Knauer SJ
Pater Peter Knauer SJ
Professor für Fundamentaltheologie
Hochschule Sankt Georgen
Frankfurt am Main
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Hier entstand der »Gottesbeweis«, der zeigt, dass man die Welt nicht widerspruchslos beschreiben kann, ohne anzuerkennen, dass sie Schöpfung ist, - Schöpfung aber im fast völlig unbekannten Sinn der Bibel!


Inhaltsangabe
Was bedeutet »Wort Gottes«?
Unsere Antwort auf's Wort, Gottes Werk in uns, der / unser Glaube
Der Mensch und seine Angst um sich
Die Gewissheit der christlichen Botschaft
Die Glaubwürdigkeit des Glaubens wird geglaubt


Der Aufweis unserer Geschöpflichkeit

Die christliche Botschaft hat immer gesagt, dass Gott nicht unter unsere menschlichen Begriffe fällt; wir kennen die Behauptung: »Gott ist unbegreiflich«. Die Schrift formuliert es so: Er lebt im unzugänglichen Licht (vgl. 1 Tim 6,16).

Wenn ich auf die Frage antworten will, wer Gott ist, brauche ich einen Gottesbegriff. Es gibt einen Gottesbegriff, der mit der Unbegreiflichkeit Gottes vereinbar ist, der Gottesbegriff der Bibel nämlich.

Wir können von Gott immer nur so sprechen, dass wir sagen, die ganze Welt, die Wirklichkeit, in der wir leben, ist solcherart, dass sie ohne ihn gar nicht wäre. Die Welt ist Relation, d. h. Beziehung auf Gott.

Die Beziehungen innerhalb der Welt sind wechselseitig. Das Geschaffensein der Welt ist dagegen eine einseitige Relation auf Gott: Gott ist absolut, er wohnt in unzugänglichem Licht. Zwar hat alles mit Gott zu tun, aber trotzdem ist die Beziehung völlig einseitig.

Der Gottesbegriff der Bibel, der die Unbegreiflichkeit Gottes wahrt, spricht über die Welt. Er sagt über die gesamte Welt, dass sie »aus dem Nichts geschaffen« ist. - Gemeint ist mit dieser Aussage, dass die Welt restlos einseitige Beziehung auf Gott ist: Einfach in allem, worin wir uns vom Nichts unterscheiden, also in unserer ganzen Wirklichkeit, sind wir solcherart, dass wir ohne Gott nicht wären. Das meint die Bibel mit »wir sind geschaffen«. Könnten wir unser Geschaffensein wegnehmen, so bliebe von uns gar nichts übrig. Von Gott können wir nur so sprechen, dass wir über uns sagen: »Wir sind seine Geschöpfe«. Von Gott sprechen heißt also, die eigene Geschöpflichkeit anzuerkennen. In einfachen Worten lautet die Definition des biblischen Gottes: »Gott ist der, ohne den nichts ist«; er ist der in allem Mächtige. - Wollen wir auch noch ausschliessen, dass ein Geschlecht anklingt, sagen wir: »Gott ist der, ohne wen nichts ist.«

Unter unsere menschlichen Begriffe fällt immer nur unsere eigene Wirklichkeit. In bezug auf Gott sprechen wir hinweisend: Er ist der, ohne den alles das, was wir erfahren, nicht sein könnte.

Dieser Satz will radikal verstanden werden, also nicht so: »Alles, was uns Freude macht, ist Gottes Schöpfung. Leid, Krankheit, Tod, Isolation dagegen - das kann nichts mit Gott zu tun haben.« Das biblische Verständnis meint dagegen: »Gott ist der, ohne den überhaupt nichts sein kann.« Damit ist wirklich alles außer Gott gemeint.

Wort Gottes
Wenn die biblische Behauptung zutrifft, Gott wohne in unzugänglichem Licht, wenn es also stimmt, dass die Welt eine total einseitige Relation auf Gott ist, wie kann dann vernünftigerweise von einem »Wort Gottes« gesprochen werden?

Wenn wir Menschen miteinander sprechen, nennen wir das Wort; Wort meint mitmenschliche Kommunikation. Wie kann man sagen, dass Gott mitmenschlich zu uns spricht? Wie soll es zugehen, dass wir Gemeinschaft mit Gott haben? Darum geht es ja im Glauben. Wie soll das zugehen, dass Gott sein Wort an uns ergehen läßt, wenn er in unzugänglichem Licht wohnt, wenn er kein Teil der Welt ist? Gott ist kein Gegenstand menschlicher Erfahrung. Und den vielen Menschen, die behaupten, eine Gotteserfahrung zu haben, ist vorzuhalten: »Ihr mögt erfahren haben, was Ihr wollt, aber Gotteserfahrungen sind das nicht.« Was Menschen erfahren, sind immer Erfahrungen der Welt, »Gott wohnt in unzugänglichem Licht«. - Wie kann man von Gemeinschaft mit Gott reden?

Die christliche Botschaft selbst gibt Antwort auf unser Problem. Fragen wir die Leute, die behaupten, Wort Gottes zu haben. »Wie wollt Ihr das verständlich machen, dass wir Gemeinschaft mit Gott haben, dass Gott uns zugewandt ist, wenn er doch absolut ist und Geschaffensein eine völlig einseitige Beziehung auf ihn ist?«

Liebe des Vaters zum Sohn. Die christliche Botschaft spricht von Gott als dem dreifaltigen Gott: Er ist Vater und Sohn und die Liebe zwischen beiden, der Heilige Geist.

Mit der Absolutheit Gottes läßt sich nur eine solche Liebe zur Welt vereinbaren, die nicht an uns oder an unserem Verhalten ihr Maß nimmt, sondern die die Liebe des Vaters zum Sohn ist, in die wir aufgenommen sind. Die christliche Botschaft sagt: Es gibt Gemeinschaft mit Gott, aber das ist nicht so zu verstehen: Da ist Gott, und hier bin ich, und wir kommunizieren jetzt so miteinander, dass Gott uns Menschen liebt, je nachdem wie wir es wert sind. Das ist die Vorstellung, die wir Menschen auf der Basis unserer Erfahrungen in der Welt entwickeln würden: Will Gott uns gnädig sein, macht er das davon abhängig, wie sehr wir ihm gefallen. Das wiederum hängt davon ab, wie sehr es uns möglich war, seine Gebote zu erfüllen. Im Gegensatz dazu sagt die christliche Botschaft, dass Gottes Liebe zu uns nicht an etwas Geschaffenem ihr Maß hat, sondern die Liebe Gottes zu Gott ist, die des Vaters zum Sohn.

Unsere Antwort auf das Wort,
Gottes Werk in uns, der Glaube

Wenn man sich das gesagt sein läßt, in die Liebe des Vaters zum Sohn aufgenommen zu sein, unabhängig von der Erfüllung der Gebote, absolut geliebt zu sein, »hat« man alles, worum es im christlichen Glauben geht. Der Glaube besteht darin, sich Gottes grenzenlose Liebe gesagt sein zu lassen, von ihr auszugehen, von ihr herzukommen, auf sie zu vertrauen, sie sich mit der ganzen Person gefallen zu lassen, sich darüber zu freuen.

Der Mensch und seine Angst um sich
Die Menschen sind verwundbar und vergänglich, und es scheint, dass ihnen fast gar nichts anderes übrigbleibt, als sich nach Möglichkeit um jeden Preis zu sichern. Warum werden Menschen immer wieder gewalttätig? Warum handeln Menschen nicht immer liebevoll und menschlich, sondern schließlich unmenschlich, nur sich selber sehend, egoistisch und verantwortungslos? - Der Grund alles unverantwortlichen Handelns in der Welt liegt in der Angst, die wir um uns selber haben, und die vor dem Hören des Wortes Gottes begründet scheint. Wo man sich um jeden Preis zu sichern sucht, entsteht genau ein Handeln, das von der Angst des Menschen um sich selber geleitet ist.

Aus dem Wort Gottes bedingungsloser Liebe< zu leben hat dann in unserer Welt und für unser Handeln die Bedeutung, dass wir nicht mehr aus der Angst und Sorge um uns selber leben. Der christliche Glaube befreit uns aus der Macht der Angst um uns selber; die Angst hat nicht mehr das letzte Wort.

Die Gewissheit der christlichen Botschaft
Die christliche Botschaft ist eine Gewissheit, die stärker ist als die Angst des Menschen um sich selber und die deshalb diese Angst entmachtet. Wohlgemerkt, das Wort Gottes nimmt dem Menschen nicht seine Angst - Jesus hat am Ölberg »Blut geschwitzt« - aber die Gewissheit ist stärker als eine noch so große Angst. Der christliche Glaube ist die Gewissheit: Ich habe so Gemeinschaft mit Gott, dass keine Macht der Welt dagegen ankommt, dass auch der Tod dagegen keine Macht hat; aus dem Wort solcher Gemeinschaft mit Gott zu leben, dass darauf im Leben und Sterben Verlaß ist, versetzt uns zu einem Leben in die Lage und zu einem Verhalten, das nicht aus der Angst um sich selber kommt, sondern der Wirklichkeit gerecht wird, und dem Menschen wirklich entspricht.

Die Glaubwürdigkeit des Glaubens wird geglaubt
Wenn Gottes Liebe zur Welt nicht an der Welt ihr Maß hat, kann man sie nicht an der Welt ablesen. Ich kann nicht sagen, dass ich Gottes bedingungslose Zuwendung erfahre, an meinem Wohlbefinden ablese. Es ist nicht so, dass strahlendes Sonnenwetter Gottes unüberbietbare Liebe erkennen läßt. Sonst müßte ich sagen, bei schlechtem Wetter keine Gemeinschaft mit Gott zu haben. Sich bedingungslos von Gott geliebt sehen, zu glauben im Sinne Jesu, bedeutet auf gar keinen Fall: also geht's mir gut. Sonst müßte ich im Sterben denken: Gott liebt mich nicht. Vielmehr sage ich, wenn ich durch das Dunkel der problematischen Welt und des Todes gehe: Du bist bei mir, und ich vertraue darauf, dass der Tod keine Macht hat, mich von Dir zu trennen.

Dass die Welt in die Liebe des Vaters zum Sohn aufgenommen ist, ist an der Welt nicht ablesbar. Es ist ein verborgener Sachverhalt, den ich nur dadurch erkenne, dass er mir offenbart wird (vgl. Röm 10,17), dass mir in mitmenschlichem Wort gesagt wird, wie ich tatsächlich vor Gott stehe, wer ich in Wahrheit bin. Dafür berufen wir uns auf den Menschen Jesus.

Alles, was Christen glauben, alle Dogmen umfassend, läßt sich darauf zurückführen, dass wir an Jesus als den Sohn Gottes glauben. An Jesus als den Sohn Gottes glauben heißt, das eigene Verhältnis zu Gott zu glauben. Dass ich auf Grund seines Wortes, eines ganz schlichten mitmenschlichen Wortes, aber eben dieses Wortes, dass wir von Gott mit einer Liebe geliebt sind, in der Gott Vater von Ewigkeit her seinem Sohn zugewandt ist, und die an nichts Geschaffenem ihr Maß hat. - An Jesus Christus als den Sohn Gottes glauben heißt an seinem Verhältnis zum Vater teilzuhaben. Das hat jede Predigt zu sagen.

Der Aufweis unserer Geschöpflichkeit
zeigt, dass sich die Welt nicht anders denn als Schöpfung Gottes im Sinn der Bibel widerspruchslos beschreiben läßt.

Unter »Gott« versteht die Bibel den, ohne wen nichts ist. -
Die Existenz dieses Gottes läßt sich beweisen, indem man zeigt, dass jede andere Beschreibung der weltlichen Wirklichkeit widersprüchlich ist, die nicht akzeptiert, dass die Welt restlos abhängig und restlos verschieden von Gott ist. Ist einmal unterschieden zwischen der beweisbaren »Existenz« Gottes und Jesu Predigt, die das nur vom Hören kommende Verhältnis Gottes zur Welt angibt, das nach wie vor ausschließlich geglaubt werden kann, unser Hineingenommensein in die grenzenlose Liebe des Vaters zum Sohn, herrscht Klarheit. (»Existenz« Gottes steht mit An- und Abführungszeichen, weil wir vom Gott der Bibel aufs genaueste sprechen, wenn wir analog von ihm sprechen.)

Widerspruchsprobleme sowohl der ersten als auch der zweiten Art lassen sich lösen; Widersprüche dagegen sind falsche Beschreibungen der Wirklichkeit. Sie schlagen beispielsweise gerade keinen Salto mortale, während Sie dies lesen, und wer das dennoch behauptete, stellte sich in Widerspruch zur Welt.

Widerspruchsprobleme der ersten Art in Beispielen: Es ist 10:00 Uhr. Gleichzeitig ist es 11:00 Uhr, gleichzeitig wohlgemerkt. Das Problem ist leicht gelöst, wenn die beiden Hinsichten mitgenannt werden, unter denen man verstanden werden will: Einmal hier in Berlin, zum anderen in Moskau. - In englischsprachigen Ländern sollte ich meine gewohnte Hinsicht »Celsius« berücksichtigen, wenn eine andere bei den Wetteraussichten im Radio als selbstverständlich angenommen wird, nämlich Fahrenheit.

Neben diesen Widerspruchsproblemen, vor die uns jeweils ein Teil der uns umgebenden Wirklichkeit stellt, gibt es solche der zweiten Art, an der erkennbar alle geschaffene Wirklichkeit teilhat. Alle anderen Widerspruchsprobleme lassen sich zurückführen auf diese.

Das Buch, das Sie in Händen halten, ist dasselbe wie vor einigen Minuten, gleichzeitig ist es nicht dasselbe, gleichzeitig wohlgemerkt, es ist älter geworden. Alle Veränderung ist gleichzeitige Identität und Nichtidentität.

Zur Lösung auch der Widerspruchsprobleme dieser Art brauchen wir je zwei Hinsichten, die sich nicht wiederum gegenseitig ausschließen: Unter der Hinsicht, dass das Buch restlos von Gott abhängig ist, nicht abhängig, sondern restlos abhängig von Gott ist, ist es immerzu dasselbe Buch; unter der gleichzeitig gegebenen Hinsicht, dass es auch restlos verschieden von Gott ist, ändert sich Gott nie, das Buch dagegen wird immer älter.

Mit der gleichzeitigen Notwendigkeit und Nichtnotwendigkeit, der nichtnotwendigen Notwendigkeit also jeder weltlichen Wirklichkeit läßt sich der Aufweis unserer Geschöpflichkeit ebenfalls führen. Auch damit läßt sich der Schöpfer als existent beweisen, dass sich das Widerspruchsproblem nicht anders lösen läßt, vor das uns all unsere Erkenntnis stellt: Der Gegenstand unseres Bewußtseins besteht real unabhängig von unserem Bewusstsein, andererseits besteht das Bewusstsein vom Gegenstand in Abhängigkeit vom Bewusstsein. - Jedesmal brauche ich zur Lösung des Widerspruchsproblems genau die beiden Hälften der Behauptung als Hinsichten, mit der die Bibel Gott »einführt«.

»Im Anfang schuf Gott Himmel und Erde.« Diese erste Zeile der Bibel stellt die Behauptung auf, dass Himmel und Erde, gemeint ist alles, von Gott restlos abhängig und gleichzeitig restlos verschieden ist, dass alle geschaffene Wirklichkeit restloses Bezogensein auf ihn in restloser Verschiedenheit von ihm darstellt. In der Tat taugen diese beiden Hinsichten der Behauptung, die Widerspruchsprobleme zu lösen, vor die uns die Beschreibung der geschaffenen Wirklichkeit stellt. - Aus unserer Welt allerdings als Wirkung auf Gott als Ursache, als Verursacher, zu schließen, wie das bisherige Gottesbeweise versuchten, ist kein Weg; es handelt sich zwar im Mittelalter bei diesem Bemühen um den biblischen Gott und nicht den der Atheisten, doch haben wir kein Gott und Welt übergreifendes Denkvermögen.


Dieser Geschöpflichkeitsbeweis findet sich ausführlich in:

Prof. Dr. Peter Knauer SJ
Der Glaube kommt vom Hören -
Ökumenische Fundamentaltheologie

Herder, Freiburg - Basel - Wien
6. neubearbeitete und erweiterte Auflage, 1991
leider nicht mehr im Buchhandel 
sowie in:

Prof. Dr. Peter Knauer SJ
Unseren Glauben verstehen
Seiten 20ff
Echter, Würzburg, 5. Auflage, 1995