Gottes »Pastoralplan« heißt schlicht die-predigt,
Christus, das Wort Gottes
Unser Pastoralplan neben Gottes Pastoralplan
Seit der Zeit fing Jesus an, seinen Jüngern zu zeigen,
wie er nach Jerusalem gehen und viel leiden müsse von den Ältesten
und Hohenpriestern und Schriftgelehrten und getötet werden und am
dritten Tage auferstehen. Und Petrus nahm ihn beiseite und fuhr ihn an
und sprach: Gott bewahre dich, Herr! Das widerfahre dir nur nicht! Er
aber wandte sich um und sprach zu Petrus: Geh weg
von mir, Satan! Du bist mir ein Ärgernis; denn du meinst nicht, was
göttlich, sondern was menschlich ist. Da sprach Jesus zu seinen
Jüngern: Will mir jemand nachfolgen, der verleugne sich selbst und
nehme sein Kreuz auf sich und folge mir. Denn wer sein Leben erhalten
will, der wird's verlieren; wer aber sein Leben verliert um meinetwillen,
der wird's finden. Was hülfe es dem Menschen, wenn er die ganze Welt
gewönne und nähme doch Schaden an seiner Seele? Oder was kann
der Mensch geben, womit er seine Seele auslöse? Denn es wird geschehen,
dass der Menschensohn kommt in der Herrlichkeit seines Vaters mit seinen
Engeln, und dann wird er einem jeden vergelten nach seinem Tun. Mt 16,21-27
Was Sie jetzt hier hören, hat mit Träumen
nicht das geringste zu tun, es handelt sich um Gottes Pastoralplan. -
Wenn nun in den nächsten Tagen und Wochen aber auch alle Welt baden
geht, ist es möglich, dass die christlichen Kirchen des Abendlandes
nicht baden gehen. Dann aber müßte es ungefähr so aussehen:
Dass einer nach Wochen erst zur Taufe zugelassen, dass einer nach monatelangem
Katechumenat erst zur Firmung zugelassen wird. Eine lange Zeit für
Erwachsene - für mal eben »son« Sakrament, eine
lange Zeit! Während der muß er beim Abendmahl hinten stehen
bleiben. Bei keiner einzigen Eucharistie darf der Ungetaufte das Wort
der Gemeinde, das Amen, mitsprechen. Höchstens leise. Das Amen ist
das Wort der Gemeinde, ihre Unterschrift.
Und dann hat der Ungetaufte, der Ungefirmte, schön zu warten, bis
alle Ministrantinnen und Ministranten kommen können. Er hat zu warten
auf einen Tag, an dem es auch dem Chefarzt gelingt, die von ihm ausgeguckten
Kranken stellvertretend für alle Bettlägerigen der Gemeinde
in das Pfarrzentrum bringen zu lassen.
Und dann läßt sich vorstellen, dass der Kirchenvorstand da
steht, selbstverständlich als Vertreter des Heiligen Petrus rechts.
Der Gemeinderat als Vertreter des Charismas - und hoffentlich nicht nur
als Vertreter - steht links. Daneben der Frauenverein, die Schützenbruderschaft
usw.
Und es läßt sich vorstellen, dass im letzten Augenblick der
Küster ganz aufgeregt sogar den Pfarrer herbeitelefoniert: In unserer
Gemeinde ist was los, Pfarrer, Du mußt kommen! Da steht wirklich
einer und will rein. - Damit der Pfarrer auch wirklich kommt, sagt
ihm der Küster, dass sein Pfarrer schon da sei, der Pfarrer des Pfarrers,
der Bischof.
Und dann darf die älteste der Katechetinnen das Zeichen geben, dass
der Kandidat beginnen möge. Aus dem Ungetauften, Ungefirmten, ist
bereits ein Ex-Kandidat geworden. Er hat nichts anderes mehr im Sinn,
als ein Mitglied der Gemeinde zu werden. Er darf beginnen. Und -
man stelle sich das vor! Er trennt sich von seiner echt seidenen Krawatte,
und auch sein Oberhemd zieht er aus. Er zieht alles aus. Er verschenkt
einfach alles
auch die Sandalen oder Schuhe und die Strümpfe,
die Uhr. Und wenn er die Brille wirklich braucht, legt er auch die ab,
damit er auch nichts mehr sieht.
Und dann ließe sich vorstellen, dass er sagt: »Bitte schaut.
Aber schaut richtig. Ich bin nicht nackt! Ich bin voller Versäumnisse.
Das ist meine Schuld, und ... Ich habe die Bitte, dass Ihr reiflich überlegt,
ob es vielleicht in Gottes Werk in Euch hineinpaßt, in Euren Glauben,
dass Ihr auch etwas tut, das [!] Ihr glaubt, dass Ihr mir glaubt, dass
ich es ernst meine.
Ich will sein Wort halten. - Ich habe mir das überlegt. Ihr
wißt, wie lange ich Zeit dazu hatte. Ich habe es mir überlegt,
ich will sein Wort halten.
Ich werde so provozierend leben, dass die nicht anders können, als
mich zu fragen, was mich bewegt. Und dann werde ich das sagen, das Wort. -
»Auch Dir hat er längst verziehen! So hundertprozentig wie
mir. - Und Dir hat er vergeben! In seiner absoluten Vergebungsbereitschaft
hat er auch Dir all Deine Versäumnisse längst vergeben!«
Und ich werde nicht drumherumreden, ich werde wie unser Herr im Abendmahl
zu leben versuchen! - Der nahm nicht irgendein elitäres Brot, irgendein
heiliges Brot der Kleriker. Der nahm nicht irgendein literarisches Brot. -
So werde ich zu leben versuchen.
Und das werde ich sagen, ich werde das Wort halten. Weil ich den Herrn,
der das Wort ist, liebe, werde ich sagen: »Das hier - meine Problematik,
auch die einfach nicht zur Kenntnis genommenen Probleme, die doch meine
sind. Das ist das Brot, das sein Leib ist. Nicht so irgendwas, was keinem
weh tut. Der Herr nahm nicht irgendein elitäres Brot, kein literarisches,
kein konstruiertes, sondern das konkrete hier.
Das werde ich sagen, wird der Kandidat sagen. - Und vielleicht nur, weil
er so lang ist, wird er niederknien. Wie im alten Colosseum vielleicht
die Daumen meistens runter gingen, geht dann hier in dieser Gemeinde nach
und nach einer nach dem anderen der Daumen hoch, und der Pfarrer der Gemeinde
wird sich ermutigt sehen, zu seinem Pfarrer zu gehen und zu sagen: »Bischof!
Bitte firmen Sie.«
Und der wird zu dem vielleicht nur der Länge wegen Heruntergeknieten
hingehen
und dann wird er, wie er das schon einige Male durfte,
den Kopf in beide Hände nehmen und ihm - ehrfürchtig und liebevoll -
einen Kuss auf die Stirn geben - und warten. Warten, bis auch der
Kandidat, der inzwischen keiner mehr ist, dem Pfarrer seines Pfarrers
einen Kuss gibt.
Und dann wird möglicherweise der Bischof den kostbaren Chormantel
nehmen, der dem des Bischofs des Heiligen Franziskus gleicht, und ihn
dem Pfarrer geben, damit der den ganz und gar nicht Nackten noch einmal
damit bekleide. Und damit wird ihm die Gemeinde [!] bestätigt haben:
»Wir glauben Dir. - Und das Wort, das Du versprochen hast zu
halten, also zu sagen, das soll Dich bekleiden!«
Der jüngste Ministrant, der mit den roten Pausbacken, darf dann
lesen. Ganz aufgeregt blättert er die Geschichte auf, die der Dorfschulmeister
eigens für diesen Tag geschrieben hat. - Schnell, bevor der
Junge zu lesen anfängt, rückt man dem Bischof, der ganz versonnen
in der Ecke steht, noch einen Stuhl herbei.
»Auf einer Zugfahrt saß ich neben einem jungen Mann, dem
sichtlich etwas Schweres auf dem Herzen lastete. Schließlich rückte
er«, liest der Junge weiter, und von hinten ruft man: »Lauter!«
- »
schließlich rückt er denn auch damit heraus,
dass er ein entlassener Sträfling und jetzt auf der Fahrt nach Hause
sei. Seine Verurteilung hatte Schande über seine Angehörigen
gebracht, sie hatten ihn nie im Gefängnis besucht, ihm auch nur ganz
selten geschrieben.
Er hoffte aber trotz allem, dass sie ihm verziehen hatten. - Um
es ihnen aber leichter zu machen, hatte er ihnen in einem Brief vorgeschlagen,
sie sollten ihm ein Zeichen geben, an dem er, wenn der Zug an dem kleinen
Gehöft kurz vor der Stadt vorbeifuhr, sofort erkennen könne,
wie sie zu ihm stünden.
Hatten die Seinen ihm verziehen, so sollten sie in dem großen Apfelbaum
an der Strecke ein weißes Band anbringen. Wenn sie ihn aber nicht
wieder daheim haben wollten, so sollten sie gar nichts tun, dann werde
er im Zug bleiben und weiterfahren, weit weg, Gott weiß, wohin. -
Als der Zug sich seiner Vaterstadt näherte, wurde seine Spannung
so groß, dass er es nicht über sich brachte, aus dem Fenster
zu schauen. Ich tauschte« - las der kleine Junge weiter, man
hätte die Geschichte vielleicht doch einem Erwachsenen geben sollen -
»ich tauschte den Platz mit ihm und versprach, auf den Apfelbaum
zu achten. Gleich darauf legte ich dem jungen Sträfling die Hand
auf den Arm. Da ist er, flüsterte ich ihm zu, und Tränen
standen mir plötzlich in den Augen, alles in Ordnung. Der ganze
Baum ist voll weißer Bänder.
In diesem Augenblick schwand alle Bitternis, die ein Leben vergiftet
hatte«, und die Gemeinde hatte ein komplett neues Gemeindemitglied.
(Nach John Kord Lagemann in »Exodus«, Kösel und Patmos, 1980)
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