Aus geschuldeter Achtung:

Respekt, Respekt!

 

Joh 20,19-31
Kommunionmeditation - Herr Jesus Christus, Du bist Gottes Sohn von Ewigkeit her. Du bist vom Vater gesandt - und angekommen in uns, wie wir hier versammelt sind. Du hast unsere Menschennatur angenommen, genau die, die uns eben Dich selbst hören und essen ließ. - Damit wir in Deinem Wort hören, wie wir in dieselbe Liebe des Vaters aufgenommen sind wie Du. Hilf uns, aus dieser Gewissheit zu leben, die Freude zu teilen und so teilzuhaben an Deiner Hingabe für die Menschen.


Es gibt einen ziemlich unbeachteten Aspekt, dessentwegen wir dem eben wieder gelesenen Evangelisten allen Respekt zollen sollten. Wenn es gelingt, diesen Gesichtspunkt einleuchtend werden zu lassen, mögen aus geschuldeter Achtung Liebe und Freude erwachsen. - Es gibt einen gemeinhin unbeachteten Aspekt, dessentwegen der Evangelist seinen Lesern und Hörern Respekt zollte. Wenn es ihm gelang, diesen Gesichtspunkt einleuchtend werden zu lassen, konnten damals schon aus geschuldeter Achtung Liebe und Freude erwachsen.

Wir schulden dem Evangelisten Respekt, weil er uns den allerersten Erstkommunionunterricht protokollierte. - Euch, meinte der Evangelist, schulde ich Respekt, weil Ihr es gut meint. Ihr versteht zwar nicht, was Ihr tut, doch schulde ich Euch Respekt, und so sollt Ihr auch wissen, wo man lesen lernen kann, wo man lernen kann, Rede und Antwort zu stehen, seinen Glauben zu verantworten.

Johannes ging so voran, dass man seinen Respekt vor den Lesern und Hörern deutlich spürt. Alles Plumpe und Grobschlächtige vermied er, damit alle, die sich zum Erstkommunionunterricht hingezogen fühlen, die doch noch nicht aufgeben wollen, endlich einen Anfang zu machen, mitkommen können.

Literarischen Erstkommunionunterricht bietet der Evangelist, um das auch zu verstehen, was man tut.

Erstkommunionunterricht, von dem man sein Leben lang das Leben »hat«, entsteht durch die Begegnung zweier Fragen. - Die eine darf sich auf Thomas berufen, der Jesus gut kannte, aber Christus gar nicht, weil er Jesu Predigt, Christus eben, das Wort Gottes, nicht verstand. Er stand noch nicht in der Entscheidung, begründet nur Christus annehmen zu können, allenfalls vor einer Entscheidung, in der man beide Wege begründen kann, Christus unverstanden abzulehnen und auch Christus unverstanden anzunehmen.

»Wie kann Jesus lebendig sein, wenn ich ihn tot gesehen?!« - Die andere Frage setzt bereits die Kenntnis Christi und den damit gegebenen längeren Atem voraus. Sie macht darauf aufmerksam, dass Jesus als Christus lebend gesehen und ganz und gar be-greif-bar erfahren wurde: »Wie kann er da tot sein?!«

Am Abend des ersten Tages der Woche, damals hatte man den Sonntag auf dem ersten Tag der Woche, versammelten sich die Lehrlinge Jesu wie heute. - Wozu?!

Den ersten begehen Christen als Tag des Herrn; sie greifen seine Einladung auf zum Feiern dessen, was sie seit seiner Predigt gegenwärtig haben: Gottes grenzenlos gütige Gegenwart. Das ist das Wort, Christus, von dem sie nicht wollen, dass es sie je wieder loslässt. Aus den auch heute allein wichtigen drei Buchstaben der gesamten Eucharistie Jesu machen sie eine Versammlung:

»Tut!« - Es tut nichts, wenn Ihr künftig nicht mich dabei seht, sondern Christus! - »Tut«, was Ihr gehört habt, »tut« mit Handgriffen, die enthalten, was sie bezeichnen, ohne dass sich in sie einfangen und begrenzen läßt die gehörte unbegrenzte Güte Gottes, die alle Menschen umfängt.

Sie tun, sie feiern, was sie hörten, damit aber auch alles der Welt auch wirklich ihnen - und nicht nur anderen! - werde der Leib und das Blut ihres alle Türen der Welt sprengenden Herrn. Ihr Leiter der Eucharistie betet wie heute der Priester noch: »Sende Deinen Heiligen Geist, … damit sie uns werden …«, was sie längst sind, was sie anderen längst sind. Sie deuten jedes Tun aus dem Wort, das man nur hört (Röm 10,17): Wie ich dieses Wasser wirklich an mich heranlasse (Taufe), dieses Brot wirklich esse (Eucharistie), das Wort im Verlauf der Zeit und an diesem Ort wirklich für mich bestimmt höre (Bußsakrament), so will ich Gottes unermeßliche Güte gern an mich heranlassen, ihn als Nahrung tatsächlich gern in mir haben, des Wortes Geist mein Tun gern und ganz bestimmen lassen. - Jedes positive Tun läßt sich so deuten, sakramental, jedes.

Thomas war ehrlich. Er war »Zweifler«, d. h. er traute der »Sache«, die er hinterfragte, eine Antwort zu. Vor der Antwort allerdings erschien er gar nicht erst, so ernst fragt er. Was er nicht durch und durch verstand, das ließ er ganz und gar; Thomas erschien anfangs gar nicht erst. Zur Erscheinung Christi im Wort erschienen die anderen. - Und Jesus. Er kam als Christus, als das Wort Gottes grenzenloser Liebe durch verschlossene Türen. Jesus, der kommt, obwohl er starb, ist Christus, der von allem Anfang an ist und auch da ist und mitißt und höchstens zu Bewusstsein »kommt«, auf jeden Fall menschgeworden mitißt. Aber eben nur dem kommt er zu Bewusstsein, der ihn zuvor hörte und verstand. Da und präsent ist er für jeden, bewusst in Anspruch genommen werden kann er nur durch den, der ihn hörend und gehor-sam - voll von Hören - verstand.

Sobald das Evangelium Gottes nicht mehr zu überbietender Güte verstanden ist, ich sie mir gern mit der ganzen Person gefallen lassen möchte, wenn ich lebend glaube und glaubend lebe, statt Gottes grenzenlose Güte neben anderem nur mit dem Kopf nur für wahr zu halten und in diesem Sinn zu glauben, versuche ich auch nicht mehr, aus der Auferstehung Jesu, die er mir schenkte, »etwas zu machen«, wie erst kürzlich wohlmeinend im Dom vorgeschlagen wurde. Die Auferstehung ist kein Hefeteig, sondern Gott.

Im Gegenteil, ich lebe aus dem Wort, das alle Angst als ohnmächtig erkennen läßt; ich lebe nicht das Wort im vorgeschlagenen Sinn, als ob es dadurch erst würde, verwirklicht würde. Es ist »fertig«, Gott ist nie geworden. Mensch wohl, deshalb deute ich ja mein Lassen und Tun wie Gott, sakramental.

Erst hören wir: »Friede sei mit Euch!« Nicht irgendein Friede. Gott macht nur zu seinem den Mund auf. Dann sehen wir. Dann erst lassen wir ihn sich uns zeigen, wie der Evangelist es uns als Erstkommunionunterricht aufschrieb.

Der Herr zeigt seine Wunden. Er ist nicht Mensch geworden, ein solcher, wie er im Lexikon steht. Er ist ein Mensch geworden, ein ganz konkreter, ein ganz bestimmter. Gott wird nicht Mensch; er wird in Dir, in Dir, in mir ein ganz konkreter Mensch. - Zeig Deine Wunden, zeig Du Deine, siehst Du, der Herr zeigt seine Wunden.

Das Kreuz meint nicht einfach Holz, nicht einmal das; das war es auch bei Jesus nur für Stunden. Auch das »Kreuz« ist Theologie, wie alle Texte der Heiligen Schrift theologisch zu verstehen sind. So meint das Wort »Kreuz« die unbegründete Ablehnung des Evangeliums, die Dich trifft, Dir nicht nur begegnet, Deine Wunden.

Das Sehen dieser Wunden mag für Thomas noch unreflektiert erstmals gewesen sein. Auf jeden Fall kam aber auch der Glaube für ihn vom Hören und keineswegs von einer Art Blinde-Kuh-Spiel. Die anderen, erneut zur Eucharistie versammelt, zur Eucharistie erneut entschlossen, die anderen, mittendrin in der Entscheidung, dem point of no return. Diese Entscheidung ist die Annahme der Sendung, deren Ablehnung sich nicht begründen läßt.

Ein und derselbe Heilige Geist in Jesus und den anderen. Ein und derselbe Wille Gottes, an Jesus gerichtet wie an uns: Dass die Bedingungslosigkeit, mit der er uns in seiner Zuwendung umgibt, bekannt wird. - Dann sind wir froh, wenn Hören und Sagen, Hören und all unser Tun zur Ermöglichung des Sagens nie mehr auseinander zu klaffen brauchen: Im Sehen des Herrn liegt die Einheit Gottes und des Menschen vor, weshalb der Evangelist Jesus darum ein zweites Mal sagen läßt: »Friede sei mit Euch!«

Der Evangelist Markus handelte immer so, als käme es nur auf ihn an. Er hat zwar die literarische Gattung Evangelium »erfunden«, aber diese Erscheinung Jesu bei Thomas und seinen nun zweifelsohne wirklich zu Freunden gewonnenen Gefährten nicht. Ob man ihm die Kunde vorenthielt?! Historisch war er näher dran als Johannes! - Ob er sie uns nicht zumuten wollte?! - Oder ob Erstkommunionunterricht damals erst so wenig nötig war?