Zur U-H-R-Kirche

URKirche - von der UHRKirche zurück
in die URKirche
und von dort zurück
in die URKirche in der UHRKirche - Weihnachten -
das Wunder: alter Christus

 

Wenn wir beachten, dass man »Ur« und »Uhr« eben mal so und mal so schreibt, in Urkunden z.B. eben anders als im Laden des Uhrmachers, dann dürften wir in der nun beginnenden Predigt auf kein Problem mehr stoßen. Die Urkirche hatte nur ein Wochen- und nur ein Jahresfest. Sie feierte den Sonntag und das Osterfest. An beiden Terminen, also Sonntag für Sonntag und Ostern für Ostern feierte die Urkirche die Auferstehung. Feiern wir heute, die wir außerdem noch Weihnachten feiern, mehr?! Ist Weihnachten mehr oder weniger als Ostern? Ist Weihnachten etwas anderes als Ostern?

Die Urkirche feierte also die Auferstehung von den Toten. Sonntags und Ostern auch. Sonst hatte die Urkirche nichts zu feiern. - Wir sind hier, um die Menschwerdung Gottes zu feiern. Ob uns die Urkirche darum beneidet? Fragen wir sie doch! Fragen wir doch einfach mal die Urkirche, was sie feiernswert hielt.

Wir lassen die Domorgel mal weg, die gab es früher noch nicht. Die Domspatzen schicken wir nach Hause. Unsere häuslichen Bildschirme schalten wir aus, dann sind wir die Tränenflüsse belangloser Glückseligkeit auch los. Da es bis zur Urkirche zurück sicherlich ein weiter Weg ist, können wir uns getrost nun erst einmal eine Pause gönnen. Eine kurze Rast, angefüllt von der Frage, ob wir wirklich all diese Folklore der letzten Wochen brauchen. Sind wir so weiche Gemüter oder trauen wir uns zu, auch mal etwas auszuhalten? -

Einige, so scheint's, wollen von Weihnachten als »Rechtzeitige Geflügelbestellung« so wie von Ostern als »Eierfarben eingetroffen!« nicht so unbesehen lassen und gehen nicht weiter mit uns. Sie gehen den Rückwärtsweg genau so wieder zurück wie die, die von Pfingsten als »Kurzreisen jetzt buchen!« nicht so kurzzentschlossen lassen möchten.

Wir aber, ausnahmsweise einmal, gehen vorwärts zurück. Ins Herz der Urkirche. - Auf unserem weiteren Weg verabschieden wir uns auch von all den Grußkarten, die wir in den letzten Wochen schrieben und erhielten. Wir lassen mal ab von den kitschigen wie den geschmackvollen Karten, denen auf Umweltschutzkarton, selbst denen von UNICEF und der Deutschen Krebshilfe. -

Hören wir die Friedliches-Fest-Wünsche der Regierung, wissen wir, dass wir in die entgegengesetzte Richtung weitergehen wollen. Schon werden wir in der Richtigkeit unserer Richtung bestätigt, denn die Arbeitgeber mit ihrem Fest des Friedens kommen uns entgegen, begleitet von den Pfarrern mit ihrem munteren »Frieden-auf-Erden!«, den Gewerkschaften, die für ein richtiges Friedensfest demonstrieren, und auch Tante Berta, die uns »Friedvolle Tage!« zuruft.

So, jetzt sind wir schon ziemlich weit auf unserem Weg von der Uhrkirche zur Urkirche, denn wir sind inzwischen durch alle durch, die uns mit ihrem Frieden-feiern-koste-es-was-es-wolle! entgegen strömen, die Urkirche im Rücken. Unsere Erinnerungen verblassen mehr und mehr. Kaum einer hat noch im Gedächtnis, dass erst vor kurzem alle Friedlichen um uns herum Saison hatten. Dass man überall Tannenbaumschmuck auf diese böse Welt kippte, dass man mit Marzipanbroten und Lebkuchenmännern einzuholen versuchte, was der UNO mißlang und in Genf nicht klappte. Nur einer in unserer Gruppe weiß noch, dass der Friede im Lichterglanz elektrisch war. »Natürlich elektrisch!« So murmelt der Alte immer wieder, während wir uns weiter bemühen auf unserem Weg vom Elektrischen zum Ekstatischen, vom Zucken zur Entzückung, wo man vielleicht vor lauter Bäumen den Wald wieder sieht. Ekstatisch natürlich, mit höchster Begeisterung. - Inzwischen sind wir in die Zeit gekommen, in der das Christentum zu den Germanen kommt. Seit längerer Zeit feiert man nun schon das Geburtsfest am 25. Dezember. Da der Tag in jene heiligen 12 Nächte der Wintersonnenwende fällt, die die Germanen, die wir gerade treffen, mit religiösen Bräuchen zur Feier des werdenden Lichtes schon lange feiern, übernehmen sie einfach das Wort Weihnachten für ihr neues Fest, als sie Christen werden.

Auf unserer weiteren Rückwärtswanderung treffen wir nun auf eine riesige Schar Römer und Griechen, die eine Riesenfete veranstalten. Die ersten Informationen, die uns Aufschluss darüber geben, was denn gefeiert wird, sind ziemlich gelallt. Dennoch verstehen wir: »Geburtstag!«, immer wieder »Geburtstag!«. Einer, der wohl gerade erst in die Feier eingestiegen ist, läßt sich so vernehmen: »Keine Last mehr, nur noch Lust!« Das sagt uns herzlich wenig, da unsere Füße jedenfalls schmerzen, aber er ist zu keiner weiteren Auskunft bereit.

Aufgeklärt werden wir über den Sinn dieser römisch-griechischen Orgie erst, als unser Opa, der früher ganz ins Elektrische verliebt war, einen jungen Mann in unsere Gruppe bringt, der scheint's keine Lust hat mitzufeiern. Er berichtet, er sei Christ und mache daher dabei nicht mit, bei dieser Geburtstagsfete für den Kaiser. Er halte einen ganz anderen für den Weltenheiland als diesen Kaiser. Die Parole »Von der Last zur Lust« halte er für falsch. Das Leben sei hart und bleibe es. Aber dennoch hätte er eine Freude, die diese Griechen und Römer nicht kennten. Noch nicht, meinte er verschmitzt.

Wir treffen noch auf ein paar, die den Plan weit von sich weisen, das Geburtstagsfest auf ihren Weltenheiland, auf Jesus, den Gekreuzigten und Auferstandenen, zu übertragen und so etwas wie ein zusätzliches Fest zum Sonntag und zu Ostern im Frühling einzuführen. Da diese neuen Gesprächspartner mehr Zeit zu haben scheinen, können wir sie fragen.

»Wir sind Kinder Gottes!«, was soll es denn mehr geben?! »Wir tun nichts anderes, als IHN immer wieder aufnehmen!« So reden sie durcheinander. Dann, in einer Pause, sagt eine alte Mutter: »Als sie dreißig von uns vor Gericht schleppten, wir sollten unsere Feier lassen, sagten sie: ›Wir können gar nicht anders! Wir werden nicht aufhören zu feiern, dass wir keine Angst zu haben brauchen vor unserer Angst! Ganz gleich, was mit uns geschieht, Gott wird uns niemals im Stich lassen. Er liebt jeden Menschen, ob er schwach ist, zu unseren Feiern kommt oder nur selten oder gar nicht. Er liebt jeden Menschen trotzdem, wie er sich selbst liebt, mit ein und derselben Liebe, die er ja selber ist.‹ -

Sie haben sie umgebracht,« so die Mutter weiter, »aber wir verehren diese Martyrer. Sie sind genau so wenig tot wie Jesus. Seine Predigt Gottes unendlicher Menschenfreundlichkeit ist durch sein Sterben noch lange nicht widerlegt!« -

Einige unter uns, die seit Antritt unserer langen Wanderung in die Urkirche schon lange keine Experten in Katechismus-Wissen mehr sind, beginnen zu begreifen. Sie erklären uns, wie sie es von diesen Urchristenheitschristen verstanden.

»Unendliche Menschenfreundlichkeit bedeutet, dass er unverbrüchliche Gemeinschaft mit den Menschen hat. Auch schon, bevor das den Menschen eröffnet wird. Alle sind Kinder Gottes, alle sind aus Gott geboren, aus und in der Liebe zwischen dem Vater und dem Sohn. In dieser Liebe, im Heiligen Geist zu leben, das bedeutet, dass die Angst des Menschen keine Chance mehr hat, dass die Menschen von keinem ihrer Probleme unterzukriegen sind. Ja, alle Menschen sind Auferstandene, sie leben, sie leben ohne jedes Ende!«

So macht sich Begeisterung unter uns breit. Der Weg hätte sich gelohnt. Zu hören, was vor dem Hören schon längst so war; zu hören, was sich nicht dadurch ändert, dass ich es höre; zu hören, was so war, bevor es gehört wurde, befreit dazu zu gehören. So lassen sich einige unter uns vernehmen. Gehören zu Christus, gehören wollen zu Christus, das mache den Christen aus.

Einige unter uns machen sich schon seit längerem Notizen. Nun kommen sie mit einem Papier, das sie zum Papst bringen wollen. Wir lesen, dass diese Predigt Gottes unbedingter Güte Gott selbst sei. Dass Gott immer wieder genau dann geboren und Mensch werde, wenn das einem Menschen offengelegt wird, dass ihm niemals wirklich etwas passieren kann, das lebensbedrohend ist. In der unendlichen Liebe Gottes zu Gott, mitten drin im Heiligen Geist, da seien alle Menschen unüberbietbar geborgen.

Auf der zweiten Seite ihres Papiers kommen sie darauf zurück, dass diese Worte Gott sind, vielmehr natürlich der Geist dieser Worte. Sie betonen in ihrem Papier nochmals, dass Gott Mensch wird, Geburtstag in einem schlichten Menschen neben uns feiert, wenn dem aufgeht, dass auch er ein anderer Christus ist, wie Jesus. Und dann geben sie zu bedenken, ob es sich nicht vielleicht doch lohne, ein neues Fest einzuführen.

Natürlich, wir lesen inzwischen auf einem angefügten dritten Blatt, bliebe es dabei, dass wir Sonntag für Sonntag dieses Wort Gottes feiern wollten. Auch künftig wollten wir jeden Sonntag feiern, dass dieses Wort uns erkennen läßt, über jedem Problem zu stehen, als Auferstandene leben zu dürfen. - Aber ob es nicht ratsam erscheine, einmal auch zu feiern, dass wir tatsächlich Gott zur Welt bringen, wenn wir diese Worte weitersagen, die er selbst sind.

Erstaunt hören wir, dass diese Notizen-Gruppe allen Ernstes zum Papst will, um ihm vorzuschlagen, ein solches zusätzliches Fest einzuführen. Ein neues Fest, bei dem es um das alte gehen soll, dass wir nämlich unendlich geliebt sind. Aber, sozusagen, nicht unter dem Blickwinkel, dass wir also auferstandene Menschen sind, Ostermenschen, Sonntagsmenschen, sondern bei diesem neuen Fest soll gefeiert werden, dass wir auferstandenen Menschen immer Weihnachten machen, Gott zur Welt bringen, wenn wir feiern und sagen und singen, dass Gott kein Kaiser ist. Dass auf ihn in jeder Situation und immer Verlaß ist.

Wir machen uns, sehen Sie doch selbst, dieses Papier alle zu eigen und auf den Weg zurück in die Neuzeit. Und tatsächlich, am 25. Dezember 354, ist der Bischof von Rom überzeugt, und wir feiern mit ihm zum erstenmal in der Geschichte der Welt, dass wir, Frauen wie Männer, alt und jung, angesehen oder im Schatten, Gott zur Erscheinung bringen, Gott selbst in den Trögen und unselig erscheinenden Straßen dieser Welt gebären, wenn wir ihn sagen, den Geist der Worte, die er selbst sind:

Er liebt alle über jedes bisher bekannte Festmaß hinaus. Das Wunder, das alles auf den Kopf stellt, das Wunder, das wirklich wahr ist. Das Wunder, das jedem zu einer Zeit aufgeht, zu der Gott es will, denn er ist dieses Wort. Wir sind sein Kreißsaal. Wer uns hört, dem geht auf, nicht nur eine Zukunft zu haben, wenn er keine Vergangenheit hat. Ganz gleich, welche Vergangenheit wir haben, die ganze Zukunft ist uns heute schon geschenkt!

Wirklich: Dasselbe Wunder, das Jesus tat, der erste Kreißsaal Gottes:
»Wer an mich glaubt, wird die Werke, die ich tue, auch tun (Joh 14, 12)«. Damit es etwas schneller geht als auf dem Hinweg, nehmen wir für den Weg von der Urkirche zu unserer Sehnsucht nach Urkirche in der Uhrkirche die Eisenbahn. Bald schlafen nach und nach alle ein. Bis auf einen, der uns dann seine selbstgeschriebene Geschichte vorliest, als wir wieder erwachen. Ich meine, er hat die Zeit gut genutzt, als wir über den Brenner schliefen:

Jesus sitzt in der 1. Klasse.
Petrus natürlich auch, und sein bester Freund, Johannes, beiden gegenüber. Der Rest der ersten Bischofskonferenz der Welt hat sich mit der 2. Klasse zu begnügen. Judas natürlich nicht. Er hockt verdrossen in der dritten. - Alle sind, wozu erwähne ich das?! lebensgroß. Aber aus Holz. Die Banditen, die den Eisenbahnzug überfallen, beginnend natürlich in der 1. Klasse, merken das nicht. Holzköpfe, die sie sind. Sie flüchten sofort nach den ersten Schüssen, da niemand darauf reagiert. Die Banditen stellen sich zuerst dem Pfarrer. Mit ihren Motorrädern sind sie schneller am Ziel des Zuges als dieser selbst. Was sind schon fünf Jahre, die dem Geständnis bei der Polizei folgen, gemessen an ewigen Höllenstrafen?! Sie reagieren sauber auf das Wunder. Sie beichten und geloben Besserung. Das ganze Dorf steht Kopf, obwohl der Zug noch gar nicht in Sicht ist. Jeder, der es hörte, dass Jesus mit seinen Freunden um elf hier sein wird, hängte die gelb-weiße Fahne heraus und bat alle Nachbarn um Vergebung. Sie wissen schon: Üble Nachrede. Der Baron schmiss seine heidnischen Flußgötter vom Springbrunnen, der Dichter seine eigene Büste vom Podest. Beide verbrüderten sich und machten eine Stiftung. Ein Kaufmannsehepaar schenkte der Hebamme, einer Nachbarin, Trüffelpastete.

Der Kaplan machte sich mit Feuereifer an die nächste Predigt: »Des Menschen Sohn kommt zu einer Stunde, da Ihr es nicht erwartet!« - Aus dem Gemeinderat scholl es auf den Platz: »Wieso sitzen wir vormittags im Rathaus und lassen unsere Frauen die Arbeit tun?!« - Usw. Einfach die Liste der Seligpreisungen durch.

Apollodor, einer der Gangster, vermisste sein Amulett, das ihn vor Bösem beschützen sollte, und raste zum Überfallsort zurück. Er fand das Amulett, aber auch Judas, den es herausgeschmissen hatte. Er hatte sich ja an niemanden anlehnen dürfen.

Fabrikant und Gewerkschaftler stritten alsbald wieder. Der Kaplan schmiss seine Predigt fort. Die Stiftung wurde zurückgezogen. Die Flußgötter waren heil geblieben. Man bereute jetzt anderes. Dass Briefe, Testamente und Fotos verbrannt waren, dass man Fehltritte und Fettleibigkeit für der Rede wert gehalten hatte. Kirchenchöre beendeten die Proben, die Religionslehrer führten ihre Kleinen vom Bahnhof in die Schule zurück, aus den Glaubenden wurden wieder Gläubiger, niemand verleugnete mehr sich selber, sondern nur noch die anderen. Der Kaplan grub Kirchenschatz und den Schlüssel zum Weinkeller wieder aus und meldete dem Bischof: »Nirgendwo war ein Wunder. Denn Wunder sind echt.«

(Nacherzählung eines sehr kurzen Kurz-Krimis von Otto Heinrich Kühner.)

Ein gesegnetes Fest!
Fröhliche Ostern, weil wirklich Weihnachten ist,
wirklich das Wunder!

Ich wünschen Ihnen:
Sie
selbst !


Weihmachten
Jes 52,7-10 Hebr 1, -6 Joh 1, -18 oder 1,1-5.9-14