Gott allein
begegnet im Wort allein
dem Glauben allein
Matthäus 1
18 Die Geburt Jesu Christi geschah aber so:
Als Maria, seine Mutter, dem Josef vertraut war, fand es sich, ehe er
sie heimholte, daß sie schwanger war von dem heiligen Geist.
19 Josef aber, ihr Mann, war fromm und wollte sie nicht
in Schande bringen, gedachte aber, sie heimlich zu verlassen.
20 Als er das noch bedachte, siehe, da erschien ihm
der Engel des Herrn im Traum und sprach: Josef, du Sohn Davids, fürchte
dich nicht, Maria, deine Frau, zu dir zu nehmen; denn was sie empfangen
hat, das ist von dem heiligen Geist.
21 Und sie wird einen Sohn gebären, dem sollst
du den Namen Jesus geben, denn er wird sein Volk retten von ihren Sünden.
22 Das ist aber alles geschehen, damit erfüllt
würde, was der Herr durch den Propheten gesagt hat, der da spricht:
23 »Siehe, eine Jungfrau wird schwanger sein
und einen Sohn gebären, und sie werden ihm den Namen Immanuel geben«,
das heißt übersetzt: Gott mit uns.
24 Als nun Josef vom Schlaf erwachte, tat er, wie ihm
der Engel des Herrn befohlen hatte, und nahm seine Frau zu sich.
25 Und er berührte sie nicht, bis sie einen Sohn
gebar; und er gab ihm den Namen Jesus.
Bemühen wir uns heute abend um das rechte Verständnis
der Geburt des Wortes. Das von Ihnen erwartete Weihnachtsevangelium habe
ich nicht ganz gelesen, sondern nur die erste, die wichtige Zeile: »Die
Geburt Christi Jesu geschah aber so
«
Sie interessieren sich, ich interessiere mich für die
Geburt Christi Marlies, für die Geburt Christi Sarahs, für
die Geburt Christi Blandinas, für die Geburt Christi Angelitas
Alles Geburten, die nicht ohne die Geburt Christi Jesu »gehen«.
Aber dazu ist nun mal der Sohn Gottes - Christus -
erstmalig in Jesus geboren, daß er in uns geboren wird,
ausschließlich dazu!
Unsere Krippendarstellungen, die alle zurückgehen auf
den Heiligen Franz von Assisi, zeigen das Geschehen nach
der Geburt, das eigentliche Geschehen, die Geburt, ist in der
Darstellung schon Vergangenheit.
Ich habe die eine oder andere Gestalt in der Kunst gesehen,
da wird die Gottesmutter, meine Namenspatronin, dargestellt als
eine Schwangere. Das ist ein Geschehen vor der Geburt.
Einen Dr. theol. kenne ich, der hat seine Arbeit über Maria
im Kindbett geschrieben. Da kann man ja auch so recht harmlos
vor sich hinliegen ...
Die eigentliche Geburt, das Geschehen der eigentlichen Geburt,
habe ich bisher noch nicht dargestellt gefunden in lebenden
Menschen dagegen ab und zu [!].
Auch Ochs und Esel, die Gesellschaft Jesu, daß die mal
nicht zu spät kamen, wenn die Geburt längst geschehen
ist, Ochs und Esel habe ich unmittelbar während der Geburt
noch nicht gesehen.
Auch keine der mittelalterlich-freizügigen Mariendarstellungen,
an denen erst spätere etwas herumpinseln zu müssen
meinten, zeigt sie während des evtl. Kaiserschnitts,
obwohl der Sohn Gottes sogar Kaiser durchaus an sich heranläßt
...
Die Geburt Jesu Christi, die Geburt Christi [!] - setzen
Sie jetzt bitte Ihren Namen für sich selbst ein - die
Geburt selbst also, nicht das brave Davor oder das brave Danach,
das keinem wehtut. Die Geburt Christi, dieses oder jenes Christus
selbst, heute abend auch nicht als Kunst, sondern das unblutige
Geburtsgeschehen, das aber Blut geleckt hat, hier jetzt vor und
mitten unter uns live und, wenn Sie wollen, zum Mitfilmen.
Es sind, womit ich gerechnet habe, einige Augenkranke unter
uns, die wohl bei unseren weitgesuchten Augenspezialisten gleich
nach den Feiertagen als erste drankommen wollen. Damit möglichst
alle, auch diese Patienten, die Geburt Christi richtig verfolgen
können - verfolgen [!], schildere ich nun genau, was
wir hier vorn sehen.
Zunächst einmal:
Hinter dem Bett
Hinter dem Bett sehen wir Zivis in weiß mit einem großen
Schild: »Kreißsaal«.
Ein Prof. Dr. der Gynäkologie und Geburtshilfe ist zu
sehen, ebenfalls in weiß, Fachmann mit Hebammen drumherum,
und ein großes Schild: »Abteilung für Anfänger,
Kreißsaal für Anfänger« - Anfänger
sind solche, die zwar noch nie gebarten Christus, Christ aber
nun doch werden wollen: »Wär' Christus tausendmal
zu Bethlehem geboren, doch nicht in Dir: du bliebst noch ewiglich
verloren« (Angelus Silesius)!
Dann sehen wir:
In dem Bett
einen jungen Mann.
Ein junger »Mann« im Bett vor dem Kreißsaal,
ja! Ein junger Mann, ja, denn aus einer Frau geboren werden,
das kann ja jeder.
»Jesus« wird aus einer Frau geboren, auf jeden
Fall aus einer Frau, auf jeden Fall nach gewissen neun Monaten.
Die Überschattung durch den Heiligen Geist ist hier, in
bezug auf Jesus und Josef, noch nicht sonderlich vonnöten.
Beide sind uns hier in allem völlig gleich. Jesus sogar
ausgenommen der Sünde.
»Jesus«
wird aus einer Frau geborgen,
»Christus«
aber wird entweder aus einer Frau oder aus einem Mann geboren. Für
seinen Sohn ist Gott Vater da nicht wählerisch, als Mutter seines
Sohnes ist ihm ein Mann so lieb wie eine Frau. Gott Vater hat sich seine
eigene Menschwerdung im Sohn nun einmal in den Kopf gesetzt und ins Herz,
und da ist er also alles andere als kleinlich. Nur sprechen
können »muß« halt der oder die Gebärfreudige
können, denn Christus, das ist Gottes »Wort«.
Gott begegnet im Wort!
Gott [allein] begegnet
im Wort [allein] dem Glauben [allein].
Das Wort Gottes ist so normal zu sprechen, mit dem Mund, dem
Kehlkopf usw., wie all unsere anderen menschlichen Worte und
Wörter auch. Wenn das Wort der Worte, das allein zu wahrer
Menschlichkeit befreit, zu sagen ist, ist es menschlich zu sprechen.
(Im physischen Sinn, unter vielerlei anderer Rücksicht und
auch pastoraltheologisch, nicht am Hochofen) sonst könnten
wir ja statt »Wort Gottes« »Gottes Arie«
sagen und Eintritt verlangen ...
Weihnachten ist nun, wenn Gott in seinem Sohn weltliche Gestalt
annimmt. Wenn die Aussage unbegrenzter Liebe grenzenloser Zuwendung,
in Raum und Zeit erscheint, hörbar wird. Dann ist Weihnachten.
Weihnachten ist immer dann, wenn die unbegrenzte Güte
Gottes gesagt oder zumindest das Sagen vorbereitend
gedacht wird.
Weihnachten ist das mindestens innerlich knieende Hören
der folgenden Worte, begleitet von dem Vorsatz, erst wieder aufzustehen,
wenn ich wirklich gewillt bin, diese Worte weiterzusagen. Gott,
den unendlich Liebenden, den [vermeintlich!] endlich Liebenden
bekanntzumachen Gott ist auf unseren Mund angewiesen
bis zur Sterbestunde.
Wollen wir dem jungen Mann im Bett zuhören? Einem Engel?
Wollen wir in uns Gottes Sohn jungfräulich geboren haben?
Wollen wir niederknien, wenn Gott in uns geboren wird?
Gott hat auch an Dir unüberbietbare Freude,
an Dir, Gott hat seine Freude an Dir.
Gott hat seine Freude an Dir, er hat seine Freude
für Dich wie für jeden anderen Menschen
der Welt auch, seine Freude: Seinen Sohn.
Gott hat seine Freude an Dir, er hat seine Freude
für Dich: Seinen Sohn hat er für Dich. Du stellst
etwas dar, an dem Gott unendlich viel gelegen ist.
Nun können wir, wenn wir das recht verstanden haben,
in aller Ehrfurcht und ohne
rot zu werden, den jungfräulichen Schoß der Gottesmutter,
deren Geburt wir erlebt haben, anschauen: Den Mund eines Christen.
Jungfräulich meint unausdenkbar, in endlicher Welt ist
unendliche Liebe unausdenkbar, sie kommt jungfräulich zur
Welt. [Der PC könnte freilich neben der Verhältnisbestimmung
»mal gut, mal schlecht« für die Beziehung zwischen
Gott und Welt auch angeben »immer gut«; der Verstehenshintergrund
ist vom PC aber nicht auszudenken. Da die Aussage, daß
Gott in unüberbietbarem Wohlwollen auf unser Verhalten nicht
reagiert, aber angesichts der Gesetzmäßigkeit
actio = re-actio nur dem verständlich
ist, der hörte, daß Gott und Welt einander gar nicht
gegenüber stehen, sondern Gott Vater, die Welt aus Liebe
zu sich im Sohn in diesem Heiligen Geist erschafft, bleibt es
dabei, daß diese Information, das Evangelium, unausdenkbar
ist: Röm 10,17.
Die Jungfrauengeburt ist kein gynäkologisches Rätsel:
die Theologie bedient sich allerdings immer noch einer Sprache,
die unverändert immer älter wird.
! Auch daß z. B. an Seele und Leib alle Menschen
längst unüberbietbar gesund sind, wird erst umformuliert
und für heutige Menschen verständlich präsentiert,
wenn die Theologen sich eines Tages unmittelbar von dem ernähren
müssen, was ihnen die dann noch verbliebenen letzten neun
Christen Europas zu essen geben.
! Solange bleibt der scheinbare Widerspruch zwischen längst
gegebener Gesundheit des Leibes z. B. und Krankenhäusern
unbearbeitet stehen.
Kann es sein, daß wir das Wort einmal gesagt haben,
daß Christus also geboren ist und daß es dann in
einen Brutkasten muß, oder daß wir es nur ein Stückchen
gesagt haben? Es gibt nicht weiter ernstzunehmende Theologen,
die bedauern, daß die Verkündigung heutzutage verbessert
würde
Man empfehle ihnen, zu heiraten und mal
zwei Drittel und mal vier Fünftel zu schwängern, anschließend
Theologie zu studieren, und zwar neunundneunzig Jahre.
Christus, das Wort, der Sohn, wird rundum geboren oder gar
nicht. Man ist auch zuvor mit dem einen kleinen kurzen Wort Gottes
unendlicher Güte ganz schwanger oder gar nicht. Ein bißchen
schwanger geht nicht.
Wo ist nun das Geborene? Die Geburt haben wir ja erlebt.
Das Wort ist, scheint's, nicht auf den Arm zu nehmen und dann
dort oder dorthin zu legen wie in Franz von Assisis Krippe
Das wäre ja auch noch schöner, könnte man den
Sohn Gottes auf den Arm nehmen!
Nein, der eben vor zwei drei Minuten geborene Christus, Christus
Sarah, Christus Blandina, Christus usw. sitzt in den Bänken ...
in denen, die es erstmals hörten, in denen, die es zum hundertstenmal
hörten und sich wieder mit Händen und Füßen
wehren, wieder ohne jedes Argument, und in der ein oder anderen
Person, die wirklich mal zuhörte, wenn in normalem mitmenschlichem
Wort Gott selbst erschien als dem durch uns Gehör
verschafft wurde, der über alle Maßen liebt, bedingungslos.
Er gibt sich jedem Menschen, läßt sich auch nicht
zurückschubsen; er ist Gott! Er läßt sich allerdings
ignorieren, dann war es schad um Weihnachten
»Wär Christus tausendmal zu Bethlehem geboren,
doch nicht in Dir: du bliebst noch ewiglich verloren« (Angelus
Silesius)!
24. Dezember 1993
Weihnachten Am Heiligen Abend
Jes 62,1-5; Apg 13,16-25; Mt 1,18-25 |