Kein Thomas-Tausch!
Kein Tomas-Tausch!
Jünger wissen,
was Jesus sagt
Von uns ist niemand in der Lage, mit dem Heiligen
Thomas zu tauschen, denn er ist ganz einfach der normale Gottesdienstbesucher.
Schwänzt er auch einmal die Eucharistie, wie zu Beginn des heutigen
Textes nach Johannes vorgelesen, dann predigt er gleich am nächsten
Sonntag!
»Mein Herr und mein Gott!« Du, mein bester
Freund, den ich habe sehen können, mit dem ich gegessen
und getrunken habe, der beispielhaft gelebt, du bist mein Herr
und gleichzeitig mein Gott. [Unvermischt und ungetrennt.] Ein
seltenes Bekenntnis!
»Am Abend des ersten Tages der Woche«
beschrieben wird hier im Text schlicht die Eucharistie. Der Jesus
»der Vergangenheit«, der seinen Jüngern lebendig
in Erinnerung ist, kommt ihnen zu Bewußtsein, wenn sie
sich eben im Gedächtnis an ihn versammeln. Und dieser Jesus
»der Vergangenheit«, der seinen besten Jüngern
auch zu Bewußtsein kommt, zeichnet sich durch gar nichts
anderes von anderen Menschen aus, als dadurch, daß er Christus
sagt, das Wort Gottes grenzenloser Güte, und die Sünde
läßt. Das Wort Gottes ist Christus, das durch nichts
zu überbietende Wort, daß alle Angst
entmachtet ist, weil alle Menschen restlos geborgen sind in der
Liebe des Vaters zum Sohn. Jesus
zeichnet sich dadurch von allen anderen Menschen vor ihm aus,
daß er, der anfaßbare Jesus, der nur glaubbare Christus
ist und ihn sagt, die zweite Person Gottes, die identisch ist
mit Seinem Wort: Daß Gott über jedes irdische Maß
hinaus jeden Menschen jederzeit an jedem Ort liebt.
Kommt den Menschen, die Jesus angefaßt, die mit Jesus
spazieren gegangen waren, kommt ihnen dieser historisch zugängliche
Jesus zu Bewußtsein, wird ihnen klar, was er zu sagen hat,
daß Gott zu den Menschen spricht und in Jesus gesagt hat,
was er zu sagen hat. Und dieses Wort ist in keinem Grab, dieses
Wort Gottes ist nicht widerlegbar, dieses Wort kommt trotz verschlossener
Türen zu Bewußtsein.
Jünger wissen, was Jesus sagt, sie kennen das Wort Gottes.
Sie freuen sich darüber, aus seinem Munde Christus gehört
zu haben, der nur vom Hören kommen und andererseits nur
geglaubt werden kann: Sie kennen Christus (vgl. Röm 10,17).
Jesus sagt das Wort Gottes, er sagt Christus, und das ist ganz
schlicht Gottesdienst. Jesus sagt das Wort Gottes, daß
Gott über jedes irdische Maß hinaus liebt: jeden Menschen,
jederzeit, an jedem Ort. Jesus sagt, daß Friede bereits
ist! Er stiftet Frieden, er schafft ihn nicht! Der Prediger deckt
auch nur auf, daß Frieden bereits ist: Unüberbietbarer
Friede mit Gott; niemals straft und züchtigt er!
Unüberbietbarer Friede mit jedem Menschen, Christen haben
keine Gegner, haben keine Feinde. Die halten sich höchstens
für solche, in Wahrheit richten sie aber nichts aus!
Auch meine Fehler können mich gelassen bleiben lassen: Friede
mit mir!
Eucharistie ist die Feier dieses Wortes, zu der Christen zusammenkommen.
Das Wort, Christus, läßt sich sagen, und es läßt
sich tun, feiern. Ein und dasselbe Wort, es wird gesagt, und
es wird gefeiert.
Die Gegenwart Gottes beschränkt sich nicht auf dieses
Sagen und Tun; Jesus Christus kommt aber nur in Zeit und Raum
im Wort zur Erscheinung, im Wort der Predigt und des Gebetes
und dem Wort, das die Deutung des Tuns, des Feierns, ausmacht.
Die meisten von Ihnen hier brauchen nur kurz erinnert zu werden
an den Unterschied zwischen einem Symbol und einem Realsymbol.
Ein Symbol ist das Verkehrszeichen zum Beispiel mit einer Lokomotive
darauf, die stellvertretend steht für die gefahrvolle Lokomotive
selbst, die gar nicht da ist, obwohl sie gemeint ist und auch
bezeichnet wird. Ein Realsymbol ist zum Beispiel der Windsack
auf der Autobahn. Er enthält, was er bezeichnet, ohne daß
sich der Wind, der bezeichnet wird, der auch tatsächlich
enthalten ist, auf diesen Windsack beschränkt. Die Eucharistie
ist ein Realsymbol. Sie enthält, was sie bezeichnet, ohne
daß sich der Leib Christi auf die Hostie beschränkt.
Die Feier, das Tun dieses Wortes, ist ausschließlich
denen zugänglich, die es gehört haben.
»Nach diesen Worten zeigte er
«
Ausnahmslos kommt das Wort, das Gott ist, in der begrenzten Welt
vom Hören! (Röm 10,17) Dann aber kommt
es, wie wir es in der Bibel beschrieben finden, »leibhaftig«:
in Raum und Zeit. Das Wort ist zur Deutung der Gestalten von
Brot und Wein oder zum Beispiel zur Deutung des Wassers bei der
Taufe genommen: Wie ich dieses Brot tatsächlich in mich
aufnehme, statt nur so zu tun, so will ich Gottes grenzenlose
Güte tatsächlich gern in mir haben wo es
ohnehin ist: Sakrament, Tun des Wortes.
Lassen Sie mich die Bemerkungen zum Text noch fortführen.
Es heißt nach dem Tun des Wortes nicht: »weil«
der Vater mich gesandt hat, sende ich Euch; es heißt nicht:
»nachdem« der Vater mich gesandt hat. Es heißt:
»Wie« mich der Vater gesandt hat, so sende ich Euch:
Es sind nicht zwei verschiedene, qualitativ unterscheidbare Sendungen!
Es ist eine. Der eine Christus in Jesus wie in uns! Der eine
selbe Heilige Geist in Jesus von Nazaret und jedem Christen,
der sich diesen Namen zur Ehre anrechnet. In jedem
Menschen lebt der Heilige Geist, aber es ist ihm im Unterschied
zum Christen unbewußt, noch nicht gesagt, noch unaufgedeckt.
Annehmen kann man den Heiligen Geist, in dem man lebt, annehmen
kann man die zugesagte Gegenwart Gottes auf eine einzige Weise:
Durchs Weitersagen! Es handelt sich beim Annehmen des Wortes
Gottes, beim Glauben, nicht um ein Nehmen, das uns etwas brächte,
das wir sonst nicht hätten, wie eine Beute, ein Privileg,
es handelt sich um ein Nehmen, das identisch damit ist, es anderen
zu geben. Trachtet zuerst, das Reich Gottes bekannt zu machen
(vgl. Mt 6,33).
Das Wort, das Gott ist, das »nur« vom Hören
kommt (Röm 10,17), kann nur weitersagen, wer es klar
gehört hat: Entweder sagen wir es weiter, daß die
Menschen unbegrenzt in der Liebe des Vaters zum Sohn leben, im
Heiligen Geist, entweder sagen wir es weiter oder es sagt
niemand weiter.
Weitersagbar ist es nur von denen, die es gehört haben:
Wir vermitteln Sündenvergebung, wir decken auf, im Heiligen
Geist zu leben und gar nicht herauszukönnen; wir tun es,
oder es werden immer weniger, die es tun. Thomas ist ein normaler
Gottesdienstbesucher. Der einzige Unterschied ist nicht der Rede
wert: Er hat den historisch zugänglichen Jesus gesehen,
gehört, hat mit ihm essen und trinken und mit ihm spazierengehen
können. Ihn hat er in seinem Kopf, in seinem Bewußtsein,
in seiner Phantasie, als er zum Glauben kommt, daß dieser
Mensch Gott ist.
Dann erkennt er in den Gestalten Brot und Wein, die er nun
so in sich hineinnimmt, wie er Gottes grenzenlose Liebe gern
in sich hineinläßt, so daß nicht der Körper
satt wird, sondern der Mensch.
Ihn, den historisch zugänglichen Jesus, erkennt er wieder.
Die Freude haben wir nicht
mehr. Es macht für den Glauben, daß Gott im Menschen
lebt, daß der Mensch ein Tempel des Heiligen Geistes ist,
aber nichts aus.
Es handelt sich im Text nicht um ein Mirakel, sondern um das
Wunder. Das Wort Gottes ist nicht aufzuhalten durch
verschlossene Türen. Das Wort Gottes ist durch nichts zu
widerlegen. Das Wort, das Wort Gottes, das Gott ist, ist in keine
Kiste, ist in keinen Sarg, in kein Grab zu bekommen.
Es geht niemals in unserer Kirche darum, daß wir etwas
Mirakulöses glauben, sondern daß wir das glauben,
was Johannes heute so schreibt. Aufgeschrieben hat er eine ganz
normale, urchristliche Eucharistiefeier, damit auch wir uns eingeladen
verstehen, zu glauben, daß Jesus der Christus ist.
Daß in jedem Mitmenschen vor und hinter und neben uns
der Heilige Geist wohnt, daß jeder Mensch, ob er es gehört
hat und sich zu den Christen zählen kann oder nicht, ein
»alter« Christus, ein anderer Christus ist, der auch
nicht spricht: »Im Auftrag ...«, sondern: »Im
Namen des Vaters und des Sohnes ...«. Das allein ist
Glaubens»gegenstand« aller Christen. Das allein entmachtet
alle Angst des Menschen um sich.
2. Sonntag der Osterzeit Weißer Sonntag Lesejahr B
Apg 4,32-35; 1 Joh 5,1-6; Joh 20,19-31 |